Interviews mit unseren Späteinsteigern Teil 1: Michael (70 Jahre, Blaugurt) . 1. Seit wann trainierst
Du Karate und wie alt warst Du, als Du mit Karate begonnen hast? Üblicherweise zwei- bis
dreimal pro Woche im Verein, daneben auch alleine zuhause. 4. Hältst du es für
sinnvoll, mit Karate auch im fortgeschrittenen Alter zu beginnen? Ja, das halte ich für sehr
sinnvoll. Je älter ein Mensch wird, desto mehr sollte er seine natürlich
nachlassenden Fähigkeiten auf dem Gebiet „Beweglichkeit“ sowie „Erlernen und
Speichern komplexer neuer Bewegungsmuster“ üben, erhalten und wenn möglich
sogar ausbauen. Daneben kommen im Karate-Training auch Übungen in den Bereichen
„Kraft, Kraftausdauer und Kardio“ zum Tragen, was zum Erhalt der Grundfitness
beiträgt. Da das Verletzungsrisiko
beim verantwortungsbewusst gestalteten Karate-Training im Vergleich zu anderen
Sportarten eher gering ist, kann auch der bei vielen Älteren vorhandenen Angst
vor Verletzungen leichter begegnet werden. Immer gelingt das allerdings nicht.
Es muss schon ein erkennbares Grundinteresse an Budo und Freude an solchem
Training vorhanden sein. 5. Ist es Deiner
Meinung nach besser, explizit in Altersgruppen zu trainieren, oder in einer
Gruppe auch mit Jüngeren zusammen? Diese Frage kann nur
differenziert beantwortet werden. Ein älterer Mensch, der
sportlich nicht sehr viel Vorerfahrung hat oder lange nichts mehr gemacht hat,
ist zumindest zu Beginn in einer Jukuren-Gruppe besser aufgehoben. Hier können
die Basics individueller und in angepasstem Tempo unterrichtet werden. (An dieser Stelle ein
Kompliment von mir an Wolfgang. Er hat mir den Einstieg sowohl technisch als
auch konditionell durch seine gute Trainingsführung sehr erleichtert.) Außerdem ist das Klima in
der Jukuren Gruppe i.d.R. sehr angenehm, was auch zum Verbleib der
Trainierenden beiträgt. Dennoch spielen hier unterschiedliche Wünsche und Ziele
eine große Rolle: die Mehrzahl ist aus rein gesundheitlichen Gründen dabei und
der Ehrgeiz, sich technisch und in der Graduierung weiter zu entwickeln, ist
begrenzt. Nichts desto weniger kann ein ambitioniert Trainierender auch in der
Jukuren Gruppe sinnvoll (zusätzlich) mittrainieren, da auch hier die Basics
immer weiter verbessert werden können. Ein älterer Neueinsteiger,
der mit gewissen Ambitionen an das Training herangeht, ist m.E. gut beraten,
wenn er/sie parallel bei Jukuren und im normalen Erwachsenentraining mitmacht.
Es ist aber anfangs schon gewöhnungsbedürftig, wenn man als älterer Neuling mit
Weißgurt als letzter in der Reihe von 30 Trainierenden kniet, vor sich viele
Jugendliche von Weiß bis Grün, und keine Ahnung, was hier abläuft. Das gibt
sich aber rasch. Durch das Trainerteam kann eine solche Barriere gut abgebaut
werden, wenn der Neuling wahrnimmt, dass er auch individuell angesprochen wird.
Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Auf jeden Fall halte ich
es für sehr wichtig, auch in gemischten Altersgruppen und mit sehr Erfahrenen
zu trainieren um zu sehen, was möglich ist und in welche Richtung sich die
individuellen Fertigkeiten entwickeln sollten. Außerdem hält das Trainieren mit
Jüngeren auch die Älteren jung. Das Ganze steht und fällt
natürlich mit der individuellen Gesundheit. Wenn gravierende Einschränkungen in
den Bewegungen vorhanden sind (Knie kaputt, Kreislauf instabil, Bandscheiben
geschädigt, …) ist moderates Training bei Jukuren vielleicht die einzige
Möglichkeit, vom Karate-Training zu profitieren. Hierfür hat Jukuren eine
absolute Daseinsberechtigung. Es ist zu wünschen, dass dies auch von
Interessenten angenommen wird. 6. Worin liegen Deiner
Meinung nach die Vorteile vom Karatetraining unter gesundheitlichen Aspekten
gegenüber anderen Sportarten? Wie bereits oben erwähnt: relativ
geringes Verletzungsrisiko; Verbesserung von Beweglichkeit und Erlernen
komplexer neuer Bewegungsmuster durch moderaten Beginn und abgestufte
Steigerung im Training; Aufbau und Erhalt einer notwendigen Grundfitness;
dezidierte Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten. Daher für Ältere
besonders geeignet. 7. Was sollten Menschen
im fortgeschrittenen Alter Deiner Meinung nach beachten, wenn sie mit dem
Karatetraining beginnen möchten? Freude an Bewegung, am
körperlichen Kontakt und am Trainieren in einer Gruppe mitbringen; Interesse an
Selbstverteidigung; Offenheit für kontinuierliches Einüben und Feilen an
Bewegungsabläufen als Basis für Fortschritte; Offenheit, über eventuelle eigene
gesundheitliche Einschränkungen zu sprechen, damit diese im Training
berücksichtigt werden können. 8. Welche Ziele hast Du
im Karate? Was möchtest Du noch erreichen? Ich habe mir Karate
bewusst ausgesucht, um als Älterer ein technisch anspruchsvolles Training zu
machen, das richtig aufgebaut bis ins hohe Alter gesundheitsfördernd sein kann.
Außerdem ist mir bei Karate der Aspekt des Karate-Do wichtig, d.h. sich auf dem
Weg befinden und durch Verbesserung meiner technischen und mentalen Fähigkeiten
persönlich Fortschritte zu machen. Daher macht mir auch die sukzessive Bewältigung
zunehmend anspruchsvoller Techniken, Katas und Anwendungen mit Partner viel
Freude. Graduierungsprüfungen halte ich auf diesem Weg für unabdingbar. Als mein Ziel sehe ich das
Bestehen der Prüfung zum 1. Dan. 29.7.2020 Michael de Campos |